Gerade in Arzthaftungssachen stellt sich immer wieder die Frage, ob neben einer zivilrechtlichen Haftung (die auf Schadenersatz und Schmerzensgeld abzielt) auch eine strafrechtliche Ahnung erfolgen soll. Grundsätzlich können beide Verfahren parallel laufen, sie können aber auch nacheinander geschaltet werden (die Verbindung beider Verfahren, der sogenannte Adäsionsprozess , spielt praktisch eine nachgeordnete Rolle).
Wird nun das Strafverfahren nach dem Zivilverfahren geführt und wird im Zivilverfahren ein ärztlicher Fehler bejaht, stellt sich die Frage, ob wegen der langen Verfahrenslaufzeiten in Arzthaftungssachen noch eine strafrechtliche Aufarbeitung erfolgen kann. Gleichfalls kann die Frage auftreten, wenn sich die Folgen einer ärztlichen Fehlbehandlung erst Jahre später zeigen.
Da gravierende ärztliche Fehler strafrechtlich regelmäßig eine fahrlässige Tötung darstellen, verjährt diese Tat gem. § 78 III Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Würde der Strafvorwurf auf fahrlässige Körperverletzung lauten, wie es häufig bei Pflegefehlern der Fall ist, beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Nach dieser Zeit darf die Tat nicht mehr geahndet werden (§78 Abs. 1 StGB).
Bei der Berechnung dieser Jahresfristen kommt es entscheidend darauf an, wann die Verjährung beginnt. Dies ist erst mit dem Abschluss oder dem Ende des Erfolges. Dieses ist der Todeseintritts oder der der Zeitpunkt, in dem sich ein Gesundheitsschaden vollständig ausentwickelt hat. Die Frist wird taggenau berechnet, endet also nicht wie die allermeisten Fristen des zivilrechtlichen Haftungsrechts am 31. Dezember.
Diese Frist der Verjährung kann durch vielfältige Tatbestände unterbrochen werden. Das bedeutet, dass der Lauf der Verjährung abgebrochen wird und in einem spätere Fall von vorne beginnen würde (§78c Abs. 3 S. 1 StGB). Es tritt also nicht nur eine Hemmung ein, wobei der Lauf der Frist nur angehalten würde.
Als Unterbrechungstatbestände gem. § 78c StGB kommen in Arzthaftungssachen in Betracht:
- (Anordnung der) erste Vernehmung des Beschuldigten
- (Anordnung der) Bekanntgabe gegenüber Beschuldigten, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist in Form schriftlicher oder mündlicher amtlicher Mitteilung
- (Anordnung einer) richterliche Vernehmung
- Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder die Staatsanwaltschaft, wenn zuvor eine Vernehmung oder Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens bzgl. des Beschuldigten stattgefunden hat
- richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung
- Erhebung der Klage durch die Staatsanwaltschaft
- Anberaumung einer Hauptverhandlung
- vorläufige gerichtliche Einstellung wegen Abwesenheit des Angeschuldigten
Unkenntnis des Patienten von dem (gesundheitlichen) Schaden oder die fehlende Kenntnis, dass ärztliches Fehlverhalten die Ursache eines bekannten (gesundheitlichen) Schadens war, ändert am Lauf der Frist also nichts. Das gilt selbst dann, wenn der Arzt seinen Fehler bewußt verschwiegen hat oder gar den Patienten absichtlich getäuscht hat. Denn auch bei der Berechnung der strafrechtlichen Verjährung gilt, dass kein Täter bei seiner eigenen Überführung behilflich sein muss. An diesem Punkt unterscheidet sich die strafrechtliche Verjährung wesentlich von der zivilrechtlichen.
Liegt eine Unterbrechung vor, so gilt sie allerdings nur gegenüber demjenigen, auf den sich der jeweilige Unterbrechungstatbestand bezieht. Das ist insbesondere dann relevant, wenn z.B. zunächst der Arzt im Fokus der Ermittlungen stand, sich später aber herausstellt, dass die Pflegekräfte den Tod des Patienten verschuldet haben. Folglich tritt die Wirkung der Unterbrechung auch nur im Bezug auf diejenigen Taten ein, auf die sich die Unterbrechungshandlung erstreckt. In Arztstrafsachen, wo es regelmäßig eine Vielzahl an Beteiligten mit unterschiedlichen Verantwortungs- und Aufgabenbereichen gibt, muss dementsprechende gegen jeden möglichen eigenverantwortlich handelnden Täter eine verjährungsunterbrechende Maßnahme stattfinden. Das aber ist vorrangige Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die gem. Nr. 22 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) während des ganzen Verfahrens darauf zu achten hat, dass die Verjährung rechtzeitig unterbrochen wird. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt Kenntnis von einem möglichen Arztfehler hat, beispielsweise mittels Anzeige.
Foerster, Rechtsanwalt
Stand: 10.04.2013