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Hausverbot im Heim – Das letzte Mittel?

Manchmal geht es einfach nicht mehr. Eine geordnete Kommunikation mit den Angehörigen ist nicht mehr möglich. Wechselseitige Vorwürfe, die Grenze der Beleidigung überschreitend, sind das Einzige, was zwischen Heimleitung und Angehörigen ausgetauscht wird. Ansonsten ist das Verhältnis geprägt von einem tiefen, beiderseitigen Misstrauen. Und wenn dann die eigenen Pflegekräfte kommen und das „Ich oder der“-Ultimatum stellen, bleibt der Heimleitung regelmäßig kaum etwas anderes übrig, als ein Hausverbot auszusprechen. Bestand vor Gericht haben sie aber kaum einmal.

1. Hausverbot gegen nahe Angehörige

Veröffentlichte Rechtsprechung zu Hausverboten ist eher selten. Zumeist bleiben solche Verfahren auf der amtsgerichtlichen Ebene. Sie werden, um eine schnelle Entscheidung zu erhalten, von den des Heimes verwiesenen Angehörigen zumeist im Wege des einstweiligen Rechtschutzes geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um Schnellverfahren, die binnen ein bis zwei Wochen zur Verhandlung kommen. In Einzelfällen findet gar keine mündliche Verhandlung statt und das Gericht entscheidet nur auf Grund der Aktenlage. So hat der Autor Entscheidungen erstritten, in denen das Gericht das Heim noch nicht einmal angehört hat.
Solche Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erwarten von den klagenden Angehörigen, dass sie begründen, warum sie ein Zutrittsrecht haben (Verfügungsanspruch) und warum eine Entscheidung des Gerichtes höchst eilbedürftig ist (Verfügungsgrund). Beides fällt nicht schwer. Die Rechtsprechung akzeptiert, dass das Heim ) Eigentümer aller Räumlichkeiten ist. Sie geht aber auch davon aus, dass das Heim hierüber nicht wie ein Eigentümer verfügen kann. Das Heim hat seine Räumlichkeiten dem Betrieb eines Altenheimes gewidmet. Es hat daher nicht nur hinzunehmen, dass die Bewohner Besuch empfangen, die Ermöglichung solcher Besuch ist darüber hinaus Pflegeaufgabe des Heimes. Dieser Zugang ist grundsätzlich uneingeschränkt zu erhalten. Dies ist insoweit beachtlich, als dass in einer Auseinandersetzung nicht der Angehörige ein Zutrittsrecht begründen muss, sondern das Heim darlegen muss, warum es dieses verweigern darf. Prozessual ist dieses insoweit bedeutsam, als dass jedes Heim zunächst erst einmal in einer defensiven Position steht, was allerdings regelmäßig von den erkennenden Gerichten verkannt wird.

Aber abgesehen davon fällt es dem Angehörigen nicht sonderlich schwer, sein Zutrittsrechtes zu begründen: Es folgt als persönliches Verkehrsrecht aus seiner engen persönlichen Beziehung zum Bewohner. Darüber hinaus kann sich der Angehörige als Begünstigter auf Rechte des Bewohners berufen. Zunächst ist das Zimmer des Bewohners der Verfügungsmacht des Heimes nahezu komplett entzogen. Das Hausrecht am Bewohnerzimmer übt der Bewohner ) aus, nicht das Heim. Hier sind die Grundsätze des Mietrechts anzuwenden. Weiter bestimmt alleine der Bewohner darüber, mit wem er Umgang haben möchte. Auch hier steht dem heim kein Bestimmungsrecht zu.

Verwehrt nun aber das Heim Angehörigen den Zutritt zu den allgemein zugänglichen Räumlichkeiten (Flure, Eingangshalle etc.) entzieht es dem Angehörigen dessen Verkehrsrecht sowie seinem Bewohner dessen Haus- und Umgangsrecht – ohne hierzu berechtigt zu sein.

Diese somit weitgehend uneingeschränkte Pflicht des Heimes, Zugang zu ermöglichen, erfährt der Rechtsprechung nach nur dann eine Einschränkung, wenn durch den Besuch des Angehörigen der Patient in eine ernste Gefahr der Gesundheitsschädigung gebracht wird oder die Aufrechterhaltung des Pflege- und Betreuungsbetriebs des Heimes in Frage gestellt wird. Sofern nicht mindestens eine dieser beiden Alternativen vom Heim begründet dargelegt wird, kann ein Hausverbot keinen Bestand haben.

a) ernste Gesundheitsgefahr

Es reicht nicht aus, dass ein Angehöriger eigenmächtig pflegerische Handlungen vornimmt, sich über ärztliche Anordnungen hinwegsetzt, mit eigener Medikation intervenieren ) u.ä. Hieraus muss eine Gesundheitsgefahr für den Bewohner folgen, die erheblich ist. Stellenweise wird davon ausgegangen, dass sie sich einer Lebensgefahr zumindest nähern müssen. Keine Gesundheitsgefahren in diesem Sinne liegen zumeist vor, wenn Angehörige ohne Zuhilfenahme eines Lifters oder Mithilfe der Pflegekräfte einen Transfer durchführen, wenn sie bei Typ 2-Diabetikern eigenmächtig kleinere Obstmengen verabreichen, wenn sie bei PEG-Patienten Jogurt zur Geschmacksanregung geben oder trotz Aspirationsrisiko dickliche Kost reichen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der Heimbewohner damit einverstanden ist. Ältere Rechtsprechung hat das noch anders gesehen und den Angehörigen ein Mitsprache- und Beteiligungsrecht an der Pflege generell abgesprochen. Das wird unter dem heutigen Pflegeverständnis nicht mehr zu halten sein. Nahezu jedes Leitbild eines Heimes sieht richtigerweise die Wünsche des Bewohners als Maßstab des Handelns der Pflegekräfte vor. Diese aber begrenzen die Handlungsbefugnis eines jeden Heimes. Der Bewohner übernimmt dann das Risiko eines Sturzes oder einer BZ-Verfälschung. Das Heim trifft keine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit mehr. Denn ein Heim muss keinen Bewohner vor Gefahren schützen, denen dieser sich wissentlich selber aussetzt. Das Heim sollte zur eigenen Absicherung in solchen Fällen den Bewohner über die Risiken aufklären sowie diese Aufklärung und seinen geistigen Zustand in der Pflegedokumentation vermerken. Führt dieses für das Heim zu einer Pflege, die es nicht mehr vertreten kann, bleibt ihm nur die Möglichkeit der Feststellung, dass die Pflege nicht mehr sichergestellt werden kann, um auf diesem Weg eine Kündigung des Heimvertrags (§12 WBVG) zu versuchen.

Erst bei einsichtsunfähigen Bewohnern entstehen Schutzpflichten des Heimes. Begrenzt gilt dieses auch für Bewohner, die unter einem derartigen Einfluss ihrer Angehörigen stehen, dass sie sich eine eigene Entscheidung nicht zutrauen. Diese Schutzpflicht besteht jedoch nur soweit, bis ein entscheidungsbefugter Vertreter des Bewohners (regelmäßig der Betreuer) entschieden hat, ob die pflegerische Intervention der Angehörigen zuzulassen ist oder nicht. Genehmigt er, gilt das zuvor bei den einsichtsfähigen Bewohnern gesagte, auch dann, wenn es der Betreuer selbst ist, der pflegerisch interveniert.

Darüber hinaus muss das Heim darauf achten, dass selbst dann, wenn solche Schutzpflichten bestehen, ein Hausverbot zu deren Durchsetzung immer nur das letzte Mittel sein darf. Ausgeschöpft werden müssen zuvor alle anderen, dem Heim zur Verfügung stehenden Mittel. Zu denken ist hier insbesondere an Handlungsverbote und Unterlassungserklärungen, die klageweise durchgesetzt werden können.

b) Pflegebetrieb in Frage gestellt

Als zweite Alternative ist anerkannt, dass ein Hausverbot dann rechtmäßig sein kann, wenn durch den Angehörigen der ordnungsgemäße Pflegebetrieb nachhaltig gefährdet wird. Schon sprachlich wird deutlich, dass es erstens um die Pflege gehen muss, es sich zweitens nicht nur um eine Belästigung oder Behinderung handeln darf und drittens eine gewisse Dauer erwartet wird.

Dies ist nicht anzunehmen, wenn sich der Angehörige immer dann lautstark über angebliche Missstände beschwert, wenn die Heimleitung mit Heiminteressenten auf Rundgang ist, oder wenn er Stimmung über die lokale Presse macht. Denn hier wird nur der wirtschaftliche Betrieb gefährdet, nicht die Pflege. Entsprechend stehen dem Heim nur die Abwehrmittel zur Verfügung, die ein jeder andere Betrieb bei Rufschädigung hätte: Strafanzeige wegen übler Nachrede und Klage auf Unterlassen. Ebenso ist dies nicht anzunehmen bei notorisch quengelnden Angehörigen, die meinen, alles besser zu wissen. Sie sind eine – ggf. erhebliche – Belästigung, unterlaufen aber den Pflegebetrieb nicht. Und schließlich kann ein noch so gravierender Ausraster eines Angehörigen ein Hausverbot nicht rechtfertigen, wenn nur die Vermutung von einer erneuten Entgleisung des Angehörigen besteht.
Erst dann, wenn der Angehörige in die Pflege anderer Bewohner eingreift, sie behindert oder unterbindet, kann ein Hausverbot gerechtfertigt sein. Gleiches gilt, wenn der Angehörige die Pflegekräfte durch sein Verhalten dermaßen an sich bindet, dass diese keine Zeit mehr haben, sich ausreichend um die Bewohner der Station zu kümmern, mit der Folge, dass Angebote der aktivierenden Pflege ausfallen oder Aufsichtspflichten nicht mehr wahrgekommen werden können. Der Pflegebetrieb kann auch dann nachhaltig gestört sein, wenn der Angehörige Stimmung bei anderen Bewohnern gegen die Pflegekräfte macht.

2) Abwägung mit dem Wohl des Bewohners

Liegt soweit erst einmal ein Recht des Heimes zum Hausverbot vor, bedeutet dieses immer noch nicht seine Rechtmäßigkeit. Denn das Hausverbot ist mit seinen Auswirkungen gegen die Nachteile abzuwägen, die der Bewohner durch die Trennung von seinem Angehörigen erfährt. Denn das Dilemma ist, dass der Angehörige den Anlass gibt, der Bewohner es aber ausbaden muss. Ein Hausverbot wird daher immer dann fallen, wenn es vorrangig als Sanktion gegen den Angehörigen gedacht ist. Auch die Fälle von überengagierten Angehörige, die wegen ihrer emotionalen Betroffenheit die Regeln des Anstandes vergessen haben, gehören hierhin. Das Gericht wird abwägen: Wen trifft das Hausverbot härter, Heim oder Bewohner. Eine Heimleitung die im Prozess sagt: „Darauf kommt es doch nicht an“ – so geschehen im letzten Prozess des Autors dieser Art –, verspielt jede Chance. Das Heim muss sich also darauf einstellen, überzeugend zu begründen, warum der Wunsch des Bewohners nach Kontakt geringer zu bewerten ist als das Interesse des Heimes an dem Hausverbot oder letztlich das Hausverbot auch im Interesse des Bewohners ist. Dies gelingt zum Beispiel dann, wenn der Bewohner ausreichend Besuch von anderen nahen Angehörigen erhält, nicht hingegen, wenn bei querulatorischen Angehörigen sofort ein unbefristetes Hausverbot ausgesprochen wird.

3) Hausverbot gegen Dritte

Immer wieder wird behauptet, dass ein Hausverbot gegen einen gerichtlich bestellten Betreuer schwieriger durchzubringen sei, als ein Verbot gegen einen Angehörigen. Nach Erfahrungen des Autors ist dieses nicht der Fall – zu Recht. Denn das Gericht stellt nicht auf irgendeinen Rang der Person ab, gegen die das Hausverbot ausgesprochen wurde. Entscheidend ist, welche Nachteile der Heimbewohner davonträgt oder tragen wird. Und die können gravierender sein, wenn ihm die einzige verbliebene soziale Bezugsperson genommen wird, als wenn ein Betreuer sich nicht mehr um die Vermögenssorge kümmern kann. Einzig der Umstand, dass ein Hausverbot gegen einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge seiner Entlassung gleichkommt, zu der alleine das Amtsgericht befugt ist, kann hieran etwas ändern.

Deutlich wird damit, dass entscheidend ist, wie eng das emotionale Verhältnis zwischen Angehörigem und Bewohner ist. Selbst dann, wenn keine verwandtschaftlichen Bindungen bestehen, der Besucher aber den Bewohner in den letzten Jahren als einzige ver- und umsorgt hat und letzte verbliebene Kontaktperson ist, kommen ihm Rechte gleich einem Ehegatten oder Kind zu.
Ist der Besucher Heimbeiratsmitglied, genießt er ebenfalls einen besonderen Schutz, so er sein Amt nicht missbräuchlich ausübt. Denn über die Besetzung des Heimbeirates entscheiden die Bewohner per Wahl. Dies würde die Heimleitung durch ein Hausverbot unterlaufen.

4) Handeln bei Hausverbot

Was ist folglich zu tun, wenn zum Beispiel die Pflegekräfte an der Grenze ihrer Belastbarkeit stehen und ein Hausverbot verlangen? Die nachfolgende Liste kann hier Anhaltspunkte liefern. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, sie soll nicht dahingehend verstanden werden, dass sie eine Anleitung ist, ein wirksames Hausverbot auszusprechen. Vielmehr soll sie dazu dienen, den ultimativen Schritt nach allen Möglichkeiten zu vermeiden. Dabei müssen nicht alle Schritte stoisch nacheinander abgearbeitet werden. So können einzelne Schritte keinen Sinn machen oder für das Heim nicht in Frage kommen, zum Beispiel weil das Heim auf die Einnahmen angewiesen ist oder weil der Bewohner sich im Heim schlicht wohlfühlt. Auch kann sich im Einzelfall eine etwas andere Reihenfolge anbieten. Im Ergebnis aber muss deutlich werden und vom Heim belegbar sein, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden milderen Mittel ausgenutzt hat, um ein Hausverbot zu vermeiden.

 

  1. Angebot eines Gesprächs mit Pflegedienstleitung und/oder Bezugspflegekraft
  2. Angebot der gemeinsamen Erstellung der Pflegeplanung und/oder Einbindung des Angehörigen in die Pflege
  3. Angebot eines Gesprächs mit einem neutralen Dritten als Schlichter
  4. Angebot einer Mediation zur Klärung der wechselseitigen Verletzungen
  5. Angebot, den Umgang mit dem Bewohner an einem neutralen Ort zu ermöglichen
  6. Begleitung/Beobachtung des Angehörigen im Zimmer des Bewohners
  7. Anregung der Überprüfung der Geeignetheit des Angehörigen als Betreuer beim Amtsgericht
  8. Ausspruch von konkreten Handlungsverboten (z.B. Mitpflege, Mitmedikation)
  9. Strafanzeige gegen den Angehörigen
  10. Klage auf Unterlassen der verbotenen Handlungen
  11. Ausspruch eines Hausverbots (zunächst räumlich begrenzt und befristet)

5) Sonderfälle

Festzuhalten bleibt damit, dass ein Hausverbot höchst angreifbar ist. Aus dem Gesagten ergibt sich aber auch, dass sich die Frage nach seiner Rechtmäßigkeit neu stellt, wenn besondere Fallkonstellationen vorliegen:

  • Verlangt ein Angehöriger Zugang, der vom Bewohner nicht empfangen werden möchte, wird ein Hausverbot in den meisten Fällen rechtmäßig sein, denn die zu Beginn genannten Rechte des Angehörigen entstehen dann erst gar nicht. In krassen Ausnahmefällen wird man möglicherweise sogar von einer Pflicht des Heimes zum Hausverbot ausgehen können, die aus der allgemeinen Schutzpflicht des Heimes seinen Bewohnern gegenüber folgt.
  • Ansatzpunkte für eine Rechtmäßigkeit ergeben sich dann, wenn der Bewohner mobil ist, selbständig das Heim verlassen kann und es auch tut. In diesem Fall kann sich der Angehörige auch außerhalb des Heimes mit seinem Bewohner treffen. Denkbar ist damit, dass sich ein Heim in einem Prozess dadurch eine bessere Ausgangslage verschafft, indem es dem Angehörigen anbietet, bei seinen Besuchen den Bewohner im Rollstuhl vor die Tür des Heimes zu bringen.
  • Sind andere Bewohner, insbesondere Zimmernachbarn, von dem Streit zwischen Angehörigem und Heimleitung betroffen und leiden sie (ggf. nur mittelbar) unter dem Streit, zum Beispiel weil der Angehörige seinen lauten Streit immer zur Mittagsruhezeit austrägt, verbessern sich ebenfalls die Chancen des Heimes.

Abgesehen von der ersten Fallkonstellation wird jedoch keine der genannten für sich alleine ausreichend sein, ein Hausverbot zu rechtfertigen. In der Summe mehreren mag das je nach Gericht und Richter anders sein.

Foerster, Rechtsanwalt
Stand: 14.12.2012